Das farbige Wunder
Es ist immer wieder wie ein Wunder, wenn sich die Blätter der Laubbäume im Herbst gelb, orange oder rot verfärben. Dabei tragen die Laubblätter diese Farbanteile eigentlich das ganze Jahr über in sich, nur werden sie im Frühling und Sommer durch das Chlorophyll (also die grüne Farbe) überdeckt. Erst im Herbst, wenn sich das Chlorophyll wegen der abnehmenden Lichtmenge zurückzieht, werden die anderen Farbanteile sichtbar.
Ist das bei uns Menschen nicht sogar ähnlich? Im Herbst unseres Lebens, wenn in der Freiheit des Ruhestandes unser wirkliches Wesen offenbart wird, kommen Charakterzüge zum Vorschein, die schon immer unterschwellig vorhanden waren, durch andere Verhaltensweisen aber überdeckt wurden. Da kann man nur hoffen, dass diese Wesenszüge positiver Natur sind.
Vielleicht hast du auch schon festgestellt, dass die Bäume sich nicht jedes Jahr gleich früh und gleich schön verfärben. Dies liegt daran, dass der Verfärbe-Prozess bei trockenen und kalten Bedingungen früher und schneller stattfindet, als bei feuchtem und wärmerem Wetter.
Die Nadelbäume haben nur dünne, grüne Nadeln, die zudem mit einer Wachsschicht überzogen sind. Deshalb verdunsten sie weniger Wasser und müssen im Herbst nicht abgeworfen werden. Einzige Ausnahme ist in unseren Gefilden die Lärche. Sie kommt in grossen Höhen vor und muss sich deshalb besonders gut vor dem Austrocknen schützen. Darum verfärben sich ihre Nadeln im Herbst so wunderschön goldgelb, bevor sie fallengelassen werden. Ein einzigartiges Phänomen, das wir in der Schweiz vor allem im Engadin beobachten können.
Wenn das Herbstlaub schliesslich als brauner Teppich auf dem Boden liegt, ist es vielerorts ein Ärgernis, da es schmierig und rutschig werden und dadurch für Unfälle sorgen kann. Die unbeliebten Laubbläser schaffen hier zwar Abhilfe, doch nicht überall muss das Laub unbedingt entsorgt werden. So kann man beispielsweise die Blätter, die auf dem Rasen liegenbleiben, ganz einfach mit dem Rasenmäher aufnehmen. Dadurch werden sie gleichzeitig gehäckselt und können dem Kompost zugeführt werden. Mit ein bisschen Geduld wird das Laub im Kompost zu wertvollem Humus, der später wiederum zum Düngen verwendet werden kann.
Ebenfalls dient das Laub gewissen Stauden und Sträuchern als Schutz vor Kälte und dem Austrocknen. Das Laub isoliert als Mulchschicht die Wurzeln, man braucht es hier nur ein wenig anzuhäufen und eventuell mit Reisig zu beschweren, damit es nicht fortgewindet wird. Einen guten Dienst erweist das Laub auch unseren Igeln, die gerne im Laubhaufen ihr Nest bauen und dort überwintern können. Also selbst wenn das Laub braun ist, kann es durchaus noch nützlich sein.
Und am schönsten ist es doch, im Herbst mit Stiefeln durch das trockene Laub zu schlurfen und das Rascheln in den Ohren zu hören. Dies wird nur noch im Winter durch das Knirschen des frisch gefallenen Schnees unter den Schuhen übertroffen.
Geniessen wir aber vorher noch einmal die wunderschönen warmen Herbstfarben in vollen Zügen und speichern den Anblick und die Wärme für die kommenden kalten Wintertage.

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