1. August

Eine echte Schweizerin

 

Ich bin am 31. Juli geboren, genau einen Tag vor dem 1. August – das mag durchaus symbolisch sein. Meine Mutter versicherte mir zwar immer wieder, sie hätte so gerne eine kleine „Stauffacherin“ gehabt (in Anlehnung am Werner Stauffacher, einen der drei ursprünglichen „Eidgenossen“). Nun ja, ich kam einen Tag zu früh zur Welt. Weshalb das symbolisch ist?

Ich liebe die Schweiz, ihre Traditionen, ihre Ordnung, ihre Sicherheit, die direkte Demokratie und die Freiheit. Ich liebe das satte Grün der Wiesen und Wälder, die Seen und die Berge. Ich habe Geranien vor dem Fenster, esse gerne ein Stück Schokolade und bin in einer Jass-Gruppe aktiv. Und ich werfe Abfall grundsätzlich in den Eimer, habe noch nie einen Kaugummi auf den Boden gespuckt. Wenn im Fernseher die Schweizer Fussballer oder die Handballerinnen ein Tor erzielen, kann ich schon mal in lauten Jubel ausbrechen. Auch bei den Olympischen Spielen fiebere ich mit den Schweizer Athletinnen und Athleten mit und wenn bei der Siegerehrung die Schweizer Nationalhymne ertönt, kann es manchmal sogar Gänsehaut geben.

Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, eine waschechte Schweizerin zu sein. Selbst den von mir eher verschmähte „Hudigäggeler“ (die Schweizer Volksmusik) und das Jodeln können beim Anstehen vor dem Skilift oder bei einem Kafi Schümli-Pflümli ganz heimelig sein. Doch ehrlich gesagt gefällt mir Volksmusik aus anderen Ländern viel besser. Zum Beispiel die Panflöten aus Peru, die melancholischen Moll-Töne aus Russland, die Latino- oder Afro-Rhythmen, ja selbst die exotische Musik aus China oder Arabien klingen in meinen Ohren irgendwie angenehmer. 

Ja, ich bin nicht erst seit meinen Reisen nach Asien, Afrika und Mittelamerika offen auch für andere Kulturen und Gebräuche. Es gibt noch so viel anderes zu entdecken und zu erleben auch ausserhalb der Grenzen unserer kleinen Schweiz. Und selbst in unserem kleinen Land gibt es nicht nur den typischen Schweizer oder die typische Schweizerin. Als Lehrperson begegnete ich im Schulzimmer immer wieder Kindern mit Migrations-Hintergrund. Da gab es einen kunterbunten Mix aus Albanern, Syrern, Ukrainern, Eritreerinnen, Portugiesinnen, Thailänderinnen oder Kindern aus Nepal. Jedes brachte eine andere Farbe mit ins Schulzimmer und bereicherte die Klassengemeinschaft. Wenn es auch zugegebenermassen oftmals Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache oder ab und zu mit der Arbeitsmoral gab, faszinierten mich immer wieder ihre Offenheit und Spontaneität. So konnten mir zum Beispiel albanische Jungs noch Jahre nachdem sie bei mir im Unterricht gewesen waren, laut über den Pausenplatz „Hallo Frau Tanner!“ zurufen.

 

Darum bin ich ganz gern am 31. Juli geboren, nicht nur weil man dann am nächsten Tag sicher immer ausschlafen kann. Nein, ein kleines bisschen Abstand tut bei aller Nähe zur Schweiz und ihrem Nationalfeiertag sicher gut. 

Doch am 1. August werde ich es bestimmt mit Stolz und Freude gebührend feiern, das Geburtstagskind Schweiz und seine schöne rote Flagge mit dem weissen Kreuz.

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